Neue Arbeitsformen: Team Boundary Management in Multiprojekt-Kontexten

von Ulrich Leicht-Deobald

Mitarbeiter sind immer häufiger in eine Vielzahl - teilweise virtueller und geographisch-verteilter - Projekte eingebunden. Führungskräfte stehen daher vor der Herausforderung, ihre Mitarbeiter vor einer Rollenüberforderung zu schützen und sie darin zu unterstützen, erhöhten Abstimmungsaufwand und Priorisierungsschwierigkeiten zu bewältigen. Nach neuester Forschung kann Team Boundary Management, die Etablierung und Bewahrung von psychologischen Grenzen zur Außenwelt, hier einen zentralen Beitrag leisten.

Im Zuge der Einführung neuer Arbeitsformen setzten Firmen zunehmend auf netzwerkartige Formen der Zusammenarbeit. Allerdings beinhalten diese weniger hierarchisch strukturierten Organisationsdesigns auch Herausforderungen, wie z.B. mögliche Rollenüberforderungen, erhöhten Abstimmungsbedarf und Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Priorisierung. Unsere Studie bei einem international tätigen Automobilunternehmen zeigt, wie Teams in Multiprojektkontexten durch ein aktives Managen ihrer Teamgrenzen Leistungseinbußen verhindern können. Bei der Umsetzung dieses Team Boundary Managements kommt Führungskräften eine entscheidende Rolle zu.

Multiprojektkontexte

Zunehmend findet die Arbeit von Teams in Multiprojektkontexten statt. Multiprojektkontexte werden als neue Arbeitsformen bezeichnet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Hierarchien flacher sind und die Arbeit netzwerkartiger organisiert ist als bei traditionellen Organisationsdesigns. Ferner sind bei Multiprojektkontexten die Mitarbeitenden neben ihrer fachlichen und disziplinarischen Verankerung in ihren „Heimat-Arbeitsgruppen“ maßgeblich in unterschiedliche, teilweise befristete, virtuelle und geographisch-verteilte Projekte eingebunden. Durch diese stark projektorientierte Arbeit verlieren die strukturellen Teamgrenzen der „Heimat-Arbeitsgruppen“ an Bedeutung, da die Mitarbeitenden mitunter den Großteil ihrer Zeit räumlich getrennt in den jeweiligen Kontexten der unterschiedlichen Projekte verbringen. Dies wird auch als Verschwimmen der traditionellen Teamgrenzen bezeichnet, bzw. man spricht hier auch von fluiden Teamstrukturen.

Wie gelingt es Teams, ihre Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten?

Eine zentrale Frage für Führungskräfte ist, wie es Teams bei verschwimmenden Grenzen gelingt, trotz der Risiken der möglichen Rollenüberforderung, des höheren Abstimmungsaufwands und Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Priorisierung ihre Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. In unserer Forschung untersuchten wir, welche Rolle Team Boundary Management in diesem Zusammenhang spielt. Team Boundary Management bezeichnet die Fähigkeit eines Teams, psychologische Grenzen zur Außenwelt zu etablieren und zu bewahren. Es verhindert einen übermäßigen Zugriff auf die eigenen Teamressourcen und ermöglicht einem Team, trotz äußerem Druck, an der Erfüllung der eigenen Teamaufgaben zu arbeiten. Für unsere Studie arbeiteten wir mit einem global tätigen Automobilhersteller zusammen.

Die drei erfolgreichen Strategien des Team Boundary Managements

Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass Team Boundary Management Teammitgliedern tatsächlich hilft, ihre Leistung zu erhalten. Teams mit erfolgreichem Team Boundary Management verwenden insbesondere drei Strategien, um ihre Leistungsfähigkeit in Multiprojektkontexten zu erhalten: 1) Sie filtern externe Informationen daraufhin, ob diese für die eigenen Teamaufgaben relevant sind und ob sie emotionalen Schaden im Team anrichten können, 2) sie weisen externe Arbeitsaufgaben zurück, wenn sie nicht im Einklang mit der Erfüllung der Teamaufgaben und den Zielen der Organisation stehen und 3) sie springen füreinander ein, wenn einzelne Teammitglieder durch externe Aufgaben überlastet sind. Führungskräften kommt bei der Umsetzung dieser drei Strategien eine herausragende Rolle zu. Die vollständige Studie ist in der Septemberausgabe der Zeitschrift für Führung und Organisation erschienen und kann hier bezogen werden.

Referenz
Leicht-Deobald, U., Bruch, H., & Mainert, J. (2015): Team Boundary Management: Wie man Teams vor Überforderung schützt. Zeitschrift für Führung und Organisation (5), 314–318.


Ulrich Leicht-Deobald studierte Psychologie in Bremen, London und Zürich und promovierte zu Leadership an der Universität St.Gallen, wo er nach wie vor forscht und lehrt. Neben Leadership interessiert er sich für neue Arbeitsformen, Diversität und Spiel in Organisationen.