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: Was der Mittelstand von Start-ups lernen kann

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Erfolgreiche Start-ups sind Experten darin, mit einfachen Metriken Geschäftspotentiale abzuschätzen. Mittelständler können sich davon einiges abschauen. Bild: chika_milan - stock.adobe.com

Geschäftsideen gibt es wie Sand am Meer. Oft zerbröseln diese aber, wenn man sie an den Markt bringt und sie sich schlicht nicht rechnen. Was unterscheidet aber gute von schlechten Ideen?

          Lässt man einmal den aktuellen Start-up-Hype beiseite, zeichnen sich erfolgreiche Gründer dadurch aus, dass sie ihre Geschäftsideen schnell am Markt testen und systematisch mit potentiellen Kunden entwickeln. So einfach das klingt, setzt es einiges voraus: Experimentierfreudigkeit, eine datengetriebene Entscheidungskultur, gepaart mit einem gut trainierten Bauchgefühl, flexible Strukturen und den Fokus auf das wesentliche Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb. Dieser Unfair Advantage speist sich in der Regel aus einem technologischen Vorsprung oder den besonderen Talenten der Gründer. Auch wenn Start-ups statistisch den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zuzurechnen sind, hat ihre Dynamik recht wenig mit dem Bild des klassischen Mittelstands gemein.

          Start-ups definieren sich über innovative, wiederholbare Geschäftsmodelle, die in neuen oder bestehenden Branchen ein hohes Wachstum versprechen und damit die Mittelständler, vor allem die erfolgreichen Platzhirsche mit deren etablierten Geschäftsmodellen, zunehmend attackieren. All dies wird in der Regel in einem kleinen Team bewerkstelligt, das die volle Entscheidungsgewalt hat und (noch) keine hierarchischen Prozessabläufe, die das akute Operieren hemmen könnten. Gerade Mittelständler mit der Sorge, den bestehenden Kundenstamm durch neue Angebote zu vergraulen oder den etablierten Markennamen für Experimente zu nutzen, können hier mit ihren fixen Strukturen nur schwer mithalten.

          Auffallend ist, dass die Start-up-Szene mehr und mehr umschwenkt von Business-to-Consumer-Modellen, die den Endkonsumenten betreffen, zu Business-to-Business-Lösungen, die andere Unternehmen als Kunden gewinnen, dem klassischen Spielfeld des Mittelstands. Die notwendige Transformation für traditionsreiche Mittelständler ist allerdings nicht nur der Digitalisierung geschuldet, die Kosten senkt und somit auch Einstiegshürden mindert. Auch die Nachfrage junger Mitarbeiter und Bewerber nach einem dynamischen Arbeitsumfeld steigt. Was kann also der deutsche Mittelstand von Start-ups lernen? Das Erfolgstool St. Galler Startup Navigator weist ihnen mit vier Entwicklungsphasen den Weg.

          In der ersten Phase betreiben Start-ups ein aktives Profiling und versuchen, die Probleme potentieller Kunden im Detail zu verstehen, bevor sie über konkrete Produkte nachdenken. Dabei wird von Beginn an eine Datenbasis aufgebaut, die sämtliche Kundeninteraktionen misst und auswertet. Aus diesem Problemverständnis lassen sich Value Propositions (Werteversprechen) herauslesen, die in der zweiten Phase, dem Prototyping, getestet werden. Es ist keine Seltenheit, dass angehende Gründer über 100 Geschäftskunden pro Tag antelefonieren, um Leads zu akquirieren. Hiermit schärfen sie das Problembewusstsein und plazieren das Werteversprechen mit einem ersten Call-to-Action für eine erste relevante Interaktion mit dem Kunden. Dieses Vorgehen basiert zwar auf dem bekannten Lean-Start-up-Ansatz, hat sich aber entscheidend weiterentwickelt, so dass auch stark regulierte Branchen wie Banken und Versicherungen hiervon profitieren können. Anstelle eines minimal lebensfähigen Produktes, des Minimal Viable Product (MVP), ist hier gleich ein voll funktionsfähiges Produkt oder ein ganzes Produktökosystem gefragt.

          Wertigkeit vom Start weg bestimmen

          Erfolgreiche Start-ups sind Experten darin, aus dieser Vorgehensweise und mit einfachen Metriken ein Geschäftspotential abzuschätzen. In einem Bottom-up-Ansatz versuchen Start-ups die Wertigkeit potentieller Kunden vom Start weg zu bestimmen. Dazu werden die Customer Acquisition Costs, die Kundenakquisitionskosten, dem Customer Lifetime Value gegenübergestellt, der die Kundenlebensdauer und deren Ertrag bewertet. Je besser das Kundenverständnis, desto greifbarer werden diese Unit Economics bereits in der Prototyping-Phase. Für Mittelständler liegt ein Schlüssel zum Erfolg im Erlernen dieser Methoden bei gleichzeitiger Revitalisierung der eigenen unternehmerischen Potentiale. Denn datengetriebene Start-up-Entscheidungen sind nicht gleichzusetzen mit einem überstrapazierten Controlling, motiviert durch ein stark ausgeprägtes Sicherheitsdenken vieler etablierter KMU. Sind vielversprechende Geschäftsfelder identifiziert, kann ein Vorteil in der dritten Phase, dem Sourcing und der Execution, liegen. Während Start-ups sich erst die notwendigen Ressourcen erkämpfen und Wertschöpfungsketten neu aufbauen müssen, können Mittelständler von ihren bestehenden Netzwerken profitieren und vorhandene Infrastrukturen einbringen. Die Ressourcenstärke der Mittelständler gepaart mit der Dynamik eines Start-ups ist eine heilvolle Melange, die die vierte und performante Phase in der Start-up-Navigation einleitet, das Scaling zu einem profitablen Wachstum. Das Anwenden der Start-up-Methodik zum Finden und Testen neuer Geschäftsmöglichkeiten ist keine Magie oder Kunstform, vielmehr solides und erlernbares Handwerk, wie es Mittelständler so lieben.

          Prof. Dr. Dietmar Grichnik ist Direktor des Instituts für Technologiemanagement und Ordinarius für Entrepreneurship an der Universität St. Gallen. Manuel Hess ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter des Competence Center zum St. Galler Startup Navigator an der Universität St. Gallen.

          Topmeldungen

          Einen Aufwärtstrend sehen die deutschen Mittelständler im Exportgeschäft: Einer aktuellen Umfrage zufolge erwarten 26 Prozent eine positive Entwicklung ihrer Auslandsaktivitäten.

          : Gute Geschäfte!

          Der deutsche Mittelstand ist hinsichtlich seiner Geschäftsentwicklung weiterhin optimistisch. Die exportorientierten Unternehmen sind anpassungsfähig – und richten ihre Blicke zunehmend gen Osten. Asien ist dabei wichtiger denn je.
          Auch als Meister der Informationsgewinnung fehlen dem Mittelstand noch Erfahrungswerte,
Best Practices und Vordenker. Viele Firmenchefs sind noch unsicher über den Weg zum Ziel.

          : Digitalisierung erfordert neue Modelle

          Von der Digitalisierung verspricht sich der Mittelstand einiges. Neue digitale Tools und Industrie 4.0 sollen die Marktposition sichern. Das ist auch bitter nötig, denn der Druck kommt von vielen Seiten.
          „Die Binnennachfrage steigt stetig, und der Außenhandel wächst Jahr für Jahr – im vergangenen Jahr haben die deutschen Exporte wieder einmal Rekordwerte erreicht“, sagt Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

          : „Ein Hoch auf die deutsche Langeweile“

          Die Konjunktur hierzulande boomt – eine Tatsache, die dafür sorgt, dass der Wirtschaftsstandort für ausländische Investoren immer attraktiver wird. Warum das so ist, erklärt Andreas Glunz (KPMG) im Interview.
          Wer erfolgreich verkaufen will, braucht zufriedene Kunden, die sich gut aufgehoben fühlen – 
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          : Erfolgsfaktor Kundenbindung

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