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Regulierung von audiovisuellen Abrufdiensten (Video On Demand) : Nur eine Frage des Nachvollzugs der neuen europäischen Richtlinie 2007/65/EG?
Journal
Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht (ZBl)
ISSN
1422-0709
Type
journal article
Date Issued
2009-07-15
Author(s)
Abstract (De)
Das Schweizer Recht reguliert auf Abruf verfügbare audiovisuelle Mediendienste gleich den Printmedien. Das RTVG als Gesetz der elektronischen Massenmedien erfasst lediglich das klassische Radio und Fernsehen. Die neue europäische Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und der Entwurf eines neuen Europarats-Übereinkommens über grenzüberschreitende audiovisuelle Mediendienste rücken die Abrufdienste nun regulatorisch in die Nähe des Fernsehens, was zu Anpassungen des RTVG führen wird.
Abrufdienste sind linearen Mediendiensten technisch überlegen. Vor dem Hintergrund des kontinuierlichen Ausbaus der Telekommunikationsinfrastruktur ist damit zu rechnen, dass bald die notwendigen Bandbreiten zur Verfügung stehen, um Inhalte auf Abruf in hoher Qualität den Konsumenten in die Haushalte zu liefern. Mit dem voraussehbaren Aufstieg der Abrufdienste stellt sich die Frage des Gestaltungsanspruchs, welche der Staat an diese neuen Medien stellen muss und darf. Diese Frage ist unter Rückgriff auf die im Bereich der audiovisuellen Medien verorteten öffentlichen Interessen und die Grundrechte zu beantworten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der verfassungsrechtliche
Leistungsauftrag von Art. 93 Abs. 2 BV nur an Radio und Fernsehen richtet, dass also die entsprechenden Eingriffsmotive bei anderen elektronischen Medien nicht zulässig sind. Auch die Einführung eines Zulassungsverfahrens für Abrufdienste verbietet sich vor dem Hintergrund der durch Art. 17 BV und Art. 10 EMRK gewährleisteten Medienfreiheit.
Namentlich der Jugend- und Konsumentenschutz stellen gewichtige öffentliche Interessen dar, welche Eingriffe auch in den Markt für Abrufdienste rechtfertigen. Solche Eingriffe sind im Hinblick auf die Eigenschaften dieser neuen Medien vorzunehmen; eine Übernahme der restriktiven Regelungen des linearen Bereichs ist nicht zu rechtfertigen. Auch ein «Swiss Finish», welches hinsichtlich der Werbung im linearen Bereich weiterhin aufrecht erhalten werden soll,ist mit Rücksicht auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser neuen Medien abzulehnen. Die mit Blick auf linear ausgestrahlte Vollprogramme praktizierten Kulturquoten sind aufgrund der bei Abrufdiensten verstärkt zu erwartenden Marktfragmentierung, der weitgehenden Erholung der europäischen
Filmindustrie und der Notwendigkeit der Schaffung niedriger Markteintrittsbarrieren für diese junge Branche kritisch zu hinterfragen. Dem Gebot einer zurückhaltenden Regulierung kann hier vor allem dadurch Genüge getan werden, dass inhaltliche Pflichten lediglich Programmen mit effektiver Massenrelevanz
auferlegt werden.
Soll die SRG auch einen Programmauftrag im Abrufbereich erfüllen, muss dieser Auftrag durch den Gesetzgeber formuliert werden. Ein umfassendes Angebot der SRG im Abrufbereich birgt die Gefahr der Verdrängung entsprechender privater Initiativen in sich und ist im Hinblick auf den Beitrag an die demokratischen, sozialen, und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu beschränken («Public Value Test»). Dritte sind in den kreativen Prozess der Schaffung neuer Produkte und Dienstleistungen im Abrufbereich einzubinden. Die zur Umsetzung eines Programmauftrags erforderlichen öffentlichen Konsultationsverfahren, unabhängigen Entscheidinstanzen und Rechtsmittelwege sind spätestens bei der Umsetzung des Europarats‑Übereinkommens über grenzüberschreitende audiovisuelle Mediendienste zu schaffen.
Abrufdienste sind linearen Mediendiensten technisch überlegen. Vor dem Hintergrund des kontinuierlichen Ausbaus der Telekommunikationsinfrastruktur ist damit zu rechnen, dass bald die notwendigen Bandbreiten zur Verfügung stehen, um Inhalte auf Abruf in hoher Qualität den Konsumenten in die Haushalte zu liefern. Mit dem voraussehbaren Aufstieg der Abrufdienste stellt sich die Frage des Gestaltungsanspruchs, welche der Staat an diese neuen Medien stellen muss und darf. Diese Frage ist unter Rückgriff auf die im Bereich der audiovisuellen Medien verorteten öffentlichen Interessen und die Grundrechte zu beantworten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der verfassungsrechtliche
Leistungsauftrag von Art. 93 Abs. 2 BV nur an Radio und Fernsehen richtet, dass also die entsprechenden Eingriffsmotive bei anderen elektronischen Medien nicht zulässig sind. Auch die Einführung eines Zulassungsverfahrens für Abrufdienste verbietet sich vor dem Hintergrund der durch Art. 17 BV und Art. 10 EMRK gewährleisteten Medienfreiheit.
Namentlich der Jugend- und Konsumentenschutz stellen gewichtige öffentliche Interessen dar, welche Eingriffe auch in den Markt für Abrufdienste rechtfertigen. Solche Eingriffe sind im Hinblick auf die Eigenschaften dieser neuen Medien vorzunehmen; eine Übernahme der restriktiven Regelungen des linearen Bereichs ist nicht zu rechtfertigen. Auch ein «Swiss Finish», welches hinsichtlich der Werbung im linearen Bereich weiterhin aufrecht erhalten werden soll,ist mit Rücksicht auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieser neuen Medien abzulehnen. Die mit Blick auf linear ausgestrahlte Vollprogramme praktizierten Kulturquoten sind aufgrund der bei Abrufdiensten verstärkt zu erwartenden Marktfragmentierung, der weitgehenden Erholung der europäischen
Filmindustrie und der Notwendigkeit der Schaffung niedriger Markteintrittsbarrieren für diese junge Branche kritisch zu hinterfragen. Dem Gebot einer zurückhaltenden Regulierung kann hier vor allem dadurch Genüge getan werden, dass inhaltliche Pflichten lediglich Programmen mit effektiver Massenrelevanz
auferlegt werden.
Soll die SRG auch einen Programmauftrag im Abrufbereich erfüllen, muss dieser Auftrag durch den Gesetzgeber formuliert werden. Ein umfassendes Angebot der SRG im Abrufbereich birgt die Gefahr der Verdrängung entsprechender privater Initiativen in sich und ist im Hinblick auf den Beitrag an die demokratischen, sozialen, und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu beschränken («Public Value Test»). Dritte sind in den kreativen Prozess der Schaffung neuer Produkte und Dienstleistungen im Abrufbereich einzubinden. Die zur Umsetzung eines Programmauftrags erforderlichen öffentlichen Konsultationsverfahren, unabhängigen Entscheidinstanzen und Rechtsmittelwege sind spätestens bei der Umsetzung des Europarats‑Übereinkommens über grenzüberschreitende audiovisuelle Mediendienste zu schaffen.
Funding(s)
Language
German
Keywords
Radio
Fernsehen
Abrufdienste
Video On Demand
Public Value Test
kommunikative Grundversorgung
Leistungsauftrag
Jugendschutz
Internet
Internetregulierung
Fernsehregulierung
Meinungsäusserungsfreiheit
Kulturschutz
HSG Classification
contribution to scientific community
Refereed
No
Publisher
Schulthess
Publisher place
Zürich
Volume
110
Number
7
Start page
349
End page
386
Pages
38
Subject(s)
Eprints ID
54065
File(s)
Loading...
open access
Name
Hettich VoD.pdf
Size
219.05 KB
Format
Adobe PDF
Checksum (MD5)
43d1b0b9052328948835959aa6789477