Bruder Klaus als Ahnherr der Schweizer Neutralität? Schulhistoriker winken ab. Sie irren gleich doppelt: Der Nationalheilige prägte die Aussenpolitik der Eidgenossenschaft durch seine Worte und durch deren Deutungen im Lauf der Geschichte. Von Paul Widmer
Niemand hat einen so grossen Einfluss auf die Schweizer Aussenpolitik ausgeübt wie Niklaus von der Flüe. Der Einsiedler im Ranft wollte zwar der Welt entfliehen, aber es gelang ihm nicht. Selbst die Gesandten der Grossmächte suchten ihn in seiner Zelle im wilden Melchtal auf. Erzherzog Sigismund von Österreich, der Doge von Venedig und der Herzog von Mailand, sie alle wollten wissen, was Bruder Klaus von Krieg und Frieden hielt. Warum? Weil er ein Meinungsführer, eine moralische Instanz war. Der mailändische Gesandte -Bernardino Imperiali berichtete seinem Fürsten: "Die Eidgenossenschaft bringt ihm grosses Vertrauen entgegen."