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Falsche Annahmen: Ein Bericht von Christof Schürmann mit Zitation von Peter Leibfried : 1000 Punkte hat der Dax von seinem Jahreshoch verloren. Zu Recht: Denn die Gewinnentwicklung der Unternehmen ist zunehmend negativ. Zudem drohen hohe Abschreibungen wegen der Euro-Krise. Worauf sich Anleger einstellen sollten
Journal
WirtschaftsWoche
ISSN
0042-8582
Type
newspaper article
Date Issued
2012-06-18
Author(s)
Abstract (De)
Anleger misstrauen Gewinnen:
Bis ins Jahr 2004 hinein galt, dass Konzerne Übernahmeprämien, die beim Erwerb neuer Töchter gezahlt wurden, über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren abschreiben mussten. Die Übernahmeprämie ist die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Vermögen des gekauften Unternehmens. Sie wird als sogenannter "Goodwill" in die Bilanz gestellt. Seit dem Jahr 2004 jedoch ist diese Regelung gekippt. Seither müssen Unternehmen nur noch einmal jährlich testen, ob die einst gezahlten Prämien noch werthaltig sind. Da dieser Test auf selbst gestrickten Annahmen der Finanzchefs beruht, ist es wenig verwunderlich, dass mit der Neuregelung kaum noch abgeschrieben wird. Denn wer abschreibt, mindert seinen Gewinn. "Der vorsichtige Kaufmann schreibt sukzessive ab, doch das ist ja nicht mehr möglich", sagt Peter Leibfried, Professor für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung an der Universität St.Gallen. Leibfried hat mit seinem Team für die WirtschaftsWoche die in diesem Frühjahr vorgelegten Dax-30-Bilanzen durchforstet. Ergebnis: Auch 2011 stieg der als Vermögen ausgewiesene Goodwill erneut an. 195 Milliarden Euro schwer ist nun diese Position - fast 150 Prozent höher als noch Ende 2000. Immerhin stieg die wacklige Bilanzposition nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren. "Möglicherweise werden die Luftschlösser nicht mehr so stark aufgepumpt, weil sich die Politiker in der EU seit der Finanzkrise verstärkt auch um das Thema Bilanzierung kümmern. Sein Eindruck ist, dass dort langsam Druck auf die Bilanzierung entsteht und bald wieder abgeschrieben werden muss", sagt Leibfried.
Wenn Unternehmen zu wenig abwerten, entstehen Papiergewinne, die mit dem operativen Erfolg nichts zu tun haben und die das Kurs-Gewinn-Verhältnis entsprechend schönen. Auf Basis der jüngsten Zahlen und Auswertung der Universität St.Gallen zeigt sich: Hätten die Unternehmen wie früher üblich regelmässig ihre Übernahmeprämien abgewertet, wären 2011 bis zu 20 Milliarden Euro gewinnmindernd aus den Bilanzen verschwunden. Tatsächlich schrieben die Unternehmen aber nur 4,7 Milliarden Euro ab. Statt 61 Milliarden hätten die 30 Dax-Unternehmen demnach nur 46 Milliarden Euro Nettogewinn erwirtschaftet. Um ein Drittel schöner glänzten also die Gewinne. "Die Unternehmen sind offenbar gefangen in ihrer eigenen Bilanzpolitik. Davon abzurücken dürfte schwerfallen, denn kaum jemand will plötzlich deutlich niedrigere als erwartete Gewinne melden", sagt Leibfried.
Das bittere Ende kommt noch:
"Sollte der Euro eines Tages Geschichte sein, wären Abschreibungen von Dax-Unternehmen auf Töchter in der Euro-Zone wenig verwunderlich", sagt Leibfried.
Bis ins Jahr 2004 hinein galt, dass Konzerne Übernahmeprämien, die beim Erwerb neuer Töchter gezahlt wurden, über einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren abschreiben mussten. Die Übernahmeprämie ist die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Vermögen des gekauften Unternehmens. Sie wird als sogenannter "Goodwill" in die Bilanz gestellt. Seit dem Jahr 2004 jedoch ist diese Regelung gekippt. Seither müssen Unternehmen nur noch einmal jährlich testen, ob die einst gezahlten Prämien noch werthaltig sind. Da dieser Test auf selbst gestrickten Annahmen der Finanzchefs beruht, ist es wenig verwunderlich, dass mit der Neuregelung kaum noch abgeschrieben wird. Denn wer abschreibt, mindert seinen Gewinn. "Der vorsichtige Kaufmann schreibt sukzessive ab, doch das ist ja nicht mehr möglich", sagt Peter Leibfried, Professor für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung an der Universität St.Gallen. Leibfried hat mit seinem Team für die WirtschaftsWoche die in diesem Frühjahr vorgelegten Dax-30-Bilanzen durchforstet. Ergebnis: Auch 2011 stieg der als Vermögen ausgewiesene Goodwill erneut an. 195 Milliarden Euro schwer ist nun diese Position - fast 150 Prozent höher als noch Ende 2000. Immerhin stieg die wacklige Bilanzposition nicht mehr so stark wie in den vergangenen Jahren. "Möglicherweise werden die Luftschlösser nicht mehr so stark aufgepumpt, weil sich die Politiker in der EU seit der Finanzkrise verstärkt auch um das Thema Bilanzierung kümmern. Sein Eindruck ist, dass dort langsam Druck auf die Bilanzierung entsteht und bald wieder abgeschrieben werden muss", sagt Leibfried.
Wenn Unternehmen zu wenig abwerten, entstehen Papiergewinne, die mit dem operativen Erfolg nichts zu tun haben und die das Kurs-Gewinn-Verhältnis entsprechend schönen. Auf Basis der jüngsten Zahlen und Auswertung der Universität St.Gallen zeigt sich: Hätten die Unternehmen wie früher üblich regelmässig ihre Übernahmeprämien abgewertet, wären 2011 bis zu 20 Milliarden Euro gewinnmindernd aus den Bilanzen verschwunden. Tatsächlich schrieben die Unternehmen aber nur 4,7 Milliarden Euro ab. Statt 61 Milliarden hätten die 30 Dax-Unternehmen demnach nur 46 Milliarden Euro Nettogewinn erwirtschaftet. Um ein Drittel schöner glänzten also die Gewinne. "Die Unternehmen sind offenbar gefangen in ihrer eigenen Bilanzpolitik. Davon abzurücken dürfte schwerfallen, denn kaum jemand will plötzlich deutlich niedrigere als erwartete Gewinne melden", sagt Leibfried.
Das bittere Ende kommt noch:
"Sollte der Euro eines Tages Geschichte sein, wären Abschreibungen von Dax-Unternehmen auf Töchter in der Euro-Zone wenig verwunderlich", sagt Leibfried.
Language
German
Keywords
Goodwill
HSG Classification
contribution to practical use / society
Refereed
No
Publisher
Verl. Handelsblatt
Publisher place
Düsseldorf
Number
25
Start page
84
End page
89
Pages
6
Subject(s)
Division(s)
Eprints ID
212955